Lehren aus der Pandemie: Die Schweiz stärkt ihre Krisenvorsorge
Die Schweiz hat ein neues Netzwerk gegründet, das Politiker und Politikerinnen sowie Behörden mit wissenschaftlichen Fakten unterstützt. Es soll helfen, besser auf Krisen vorbereitet zu sein – zum Beispiel bei Pandemien, Cyberangriffen oder bei der Bekämpfung von Falschinformationen.
Das Netzwerk bringt Experten und Expertinnen aus unterschiedlichen Disziplinen zusammen. Die meisten von ihnen stammen aus schweizer Hochschulen und Forschungseinrichtungen und engagieren sich ehrenamtlich. Sie beobachten laufend, was in der Welt passiert, und überlegen, welche Risiken auf die Schweiz zukommen könnten. Im Krisenfall kann der Bundesrat eine ad-hoc-Expertengruppe einsetzen, die direkt in die Krisenbewältigungsorganisation integriert wird. Aber auch ausserhalb von Krisen beraten sie Behörden bei wissenschaftlichen Fragen. Wenn nötig, geben sie Einschätzungen ab, damit die Politik diese in ihre Entscheidungen einbauen kann.
Bisher besteht das Netzwerk aus vier Clustern: öffentliche Gesundheit, Cybersicherheit, internationale Herausforderungen und Desinformationen. Wobei sich das jüngste Cluster zum Thema Desinformation noch im Aufbau befindet. Jedes Cluster wird von einem wissenschaftlichen Leitungsteam geführt. Das Team entscheidet, welche Themen besonders wichtig sind und schlägt geeignete Experten und Expertinnen vor. Die endgültige Auswahl der Mitglieder erfolgt durch die Präsidien der sechs Institutionen des BFI-Bereichs – darunter der ETH-Rat, swissuniversities und der Schweizerische Nationalfonds.
Im Cluster «Öffentliche Gesundheit» sind unter anderem drei bekannte Persönlichkeiten aktiv: Professorin Tanja Stadler von der ETH Zürich, die das Cluster leitet und zuvor Präsidentin der wissenschaftlichen Covid-19-Taskforce war; Professorin Isabella Eckerle vom Universitätsspital Genf, eine ausgewiesene Expertin für neuartige Viren; sowie Professor Volker Thiel, Virologe an der Universität Bern.
Verhaltenskodex stellt Transparenz sicher
Damit die Arbeit im Netzwerk fair und transparent abläuft, gibt es einen Verhaltenskodex. Dieser regelt, wie die Wissenschafterinnen und Wissenschafter arbeiten und wie sie mit möglichen Interessenkonflikten umgehen. Ausserdem verpflichtet der Kodex die Mitglieder dazu, ihre Rolle als ‹Honest Broker› wahrzunehmen. Als Honest Broker liefern sie wissenschaftliche Grundlagen, ohne politische Empfehlungen auszusprechen.
Das Netzwerk baut auf den Erfahrungen der wissenschaftlichen Covid-19-Taskforce auf. Diese spielte während der Corona-Pandemie eine wichtige Rolle, wurde aber auch kritisch diskutiert. Die neue Struktur soll aus den damaligen Erfahrungen lernen und besser organisiert sein: mit klaren Rollen, transparenten Abläufen und einer breiteren thematischen Ausrichtung. So soll sichergestellt werden, dass die Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft und Politik noch besser funktioniert.
Kritik an der politischen Zurückhaltung
Das Ziel des Netzwerks ist es, Wissen aus der Forschung so aufzubereiten, dass es für die Politik nützlich ist – und das auf eine unabhängige und transparente Weise. Mit diesem Ansatz plant der Bundesrat sicherzustellen, dass die Schweiz auch künftig gut auf schwierige Situationen vorbereitet ist.
Es gibt aber auch kritische Stimmen zum neuen Netzwerk. So bemängelt Olga Baranova, Geschäftsleiterin der Organisation CH++, dass bislang die direkte und regelmässige Zusammenarbeit zwischen Verwaltung und Wissenschaft fehle: «Es braucht konkrete Projekte, um die Zusammenarbeit zu üben und gleichzeitig mutige Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen, die auch echte Wirkung mit echten politischen Vorstössen erzielen können. Letzteres ist in diesem Netzwerk nicht gestattet.» CH++ ist eine unabhängige Organisation, die sich für evidenzbasierte Politik und digitale Innovation in der Schweiz einsetzt.